12. October 2020

SILBER: GLÄNZEND, LEITEND, ZU WEICH,

sucht ... Legierungspartner

Die IMO Oberflächentechnik ist einer der großen Lohnbeschichter für Bandmaterial, wie es in großem Umfang im Automobilbau oder der Elektrotechnik benötigt wird. Vor allem die Forderung nach höherer Leistungsübertragung in Fahrzeugen erfordert den zunehmenden Einsatz von Silber als Grundwerkstoff. Zugleich muss aber auch die Oberfläche der Bauteile einen geringen elektrischen Widerstand und eine gute Beständigkeit gegen Deckschichtbildung aufweisen. Hierzu entwickelt die IMO Oberflächentechnik neue Beschichtungsverfahren und trägt somit deutlich zu attraktiven Gesamt­kosten der hergestellten Bauteile bei.

Silber – Metall für einen ­vielfältigen Einsatz

Silber wird von Menschen seit vielen tausend Jahren genutzt. Sein Glanz faszinierte von Beginn an. Unter anderem die alten Griechen, Germanen und Ägypter nutzten es als Material für Münzen und Gefäße oder zur Herstellung von Schmuck. Mit der Entwicklung des rostfreien Stahls Mitte des 19. Jahrhunderts nahm die Bedeutung des Metalls Silber im Alltag ab. Heute ist es beliebter denn je – auch dank der Automobilindustrie und den Elektroautos. Denn Silber ist relativ günstig und besitzt unter allen Metallen die höchste Leitfähigkeit für Strom. Es könnte also perfekt sein, wenn es nur nicht so weich wäre. Denn als galvanische Beschichtung wird in der Regel eine Beschichtung aus Feinsilber eingesetzt und dieses tritt somit gegen eine bewährte Hartvergoldung an (Hartgold ist eine Legierung, zum Beispiel Gold-Nickel oder Gold-Kobalt). Dies führt zu markanten Unterschieden bei Verschleiß, Härte und anderen Kennwerten. Bleibt am Ende doch nur der Griff zum teuren Gold? Nein, ist die klare Antwort, aber: Hier sind Ideen und Innovationen der Oberflächenbeschichter gefragt!

Silberbeschichtungen sind sicherlich kein Universalersatz für Hartgold. Viele Teile der Elektroautos benötigen Steckverbinder mit guter Leitfähigkeit. Das ist ein großer Pluspunkt für Silber. Außerdem ist Silber weitaus kostengünstiger als Gold, was bei den zum Teil sehr massiven Steckverbindern der Elektroautos im wahrsten Sinne des Wortes ins Gewicht fällt. Es fließen jedoch hohe Ströme und es treten hohe Kontaktkräfte mit starker Reibung auf. Damit kommen reine Silberoberflächen weniger gut zurecht. Silber neigt zum Kaltverschweißen und kann die geforderte Anzahl der Steckzyklen, beispielsweise bei Ladevorgängen eines Elektroautos, alleine nicht leisten. Silber hat in diesem Fall nur etwa ein Zehntel der Leistungsfähigkeit verglichen mit Gold.

Ist Silber deshalb prinzipiell nicht geeignet für den Einsatz in der boomenden Branche der Elektroautos? Markus Klingenberg, Leiter Forschung & Entwicklung bei der IMO Oberflächentechnik GmbH, möchte das nicht so stehen lassen: Wird über den Ersatz von Hartgold durch Silber gesprochen, muss in jedem einzelnen Fall eine genauere Betrachtung darüber erfolgen, wofür und in welcher Schichtdicke Gold zum Einsatz kam. Hier ist die Beratungskompetenz eines Fachmanns gefragt. Ein wichtiger Punkt in der Elektromobilität sind natürlich die Steckzyklen. Bei der Produktion von Steckern für Ladekabel & Co. muss daher in jedem Fall auch die Frage gestellt werden, wie oft ein versilberter Stecker in eine versilberte Buchse gesteckt werden kann und sollte. Aus diesem Grund baut IMO Oberflächentechnik ein eigenes Steckverbinderlabor auf. Dort untersuchen und testen unsere Mitarbeiter aus Forschung & Entwicklung die Eigenschaften von Silber, verschiedenen Silberlegierungen, Passivierungen von Silber und neue Methoden, um den Werkstoff Silber in Form der galvanischen Beschichtung noch widerstandsfähiger zu machen, berichtet Markus Klingenberg.

Durch Passivierung zum Erfolg

Passivierung von Silber ist seit geraumer Zeit die gängigste Methode, um das Metall vor der ungewollten Reaktion mit Schwefel, der sogenannten Sulfidierung, zu schützen. Durch das Eintauchen in eine Passivierungslösung bildet sich eine organische Schutzschicht auf Silber. Im Bereich der Bandgalvanik kann dies durch das Anlegen einer definierten Spannung beschleunigt werden, wodurch die Belegung der Silberoberfläche mit passivierenden Molekülen verstärkt wird (der genaue Reaktionsmechanismus ist jedoch noch nicht geklärt). Die Methode eignet sich somit gut für den Einsatz in der Bandgalvanik.

Neben dem Schutz vor Sulfidierung hat die Passivierung einen weiteren Vorteil für die Eigenschaften des Silbers: Sie reduziert die Reibungskräfte beim Steckvorgang und ermöglicht so eine größere Zahl von Steckzyklen. Das ist besonders wichtig bei nicht dauerhaften Steckverbindungen oder automatisch ausgeführten Schaltungen, wie sie bei Elektroautos häufig vorkommen. Ein weiterer Pluspunkt der Passivierung ist, dass es die Gefahr des Kaltverschweißens verringert. Denn dazu neigt Silber im unbehandelten Zustand relativ stark. Dabei verbinden sich die Silberteile eines Steckers ohne Temperatureinwirkung miteinander. Beim gewaltsamen Lösen oder sogar durch bloßes Stecken und Ziehen der kaltverschweißten Steckverbinderstelle wird die Silberoberfläche zerstört. Selbst wenn nur Mikrostellen des Silbers miteinander verschweißen, ist dies problematisch. Durch das Ausreißen feinster Partikel entstehen Schmirgel, die bei nachfolgenden Steckzyklen die Oberfläche weiter zerstören.

Dennoch kann die Passivierung nur eine Teillösung sein, denn sie verringert die Leitfähigkeit des Silbers. Bei hohen Strömen ist dies nicht ausschlaggebend, jedoch ungünstig bei geringen Signalströmen von (Automotive-)Sensoren und Steuerungen. Für diese Einsatzgebiete muss also ein anderer Weg gefunden werden, um die Vorteile des Silbers nutzen zu können, ohne Nachteile zu generieren.

Legierung – eine ­stärkende Verbindung

Die Vorteile des Silbers liegen auf der Hand: Es verfügt über eine sehr gute Leitfähigkeit, ist kostengünstig und gut verfügbar. Aufgabe ist es, einen Legierungspartner zu finden, der so gut mit Silber harmoniert, dass es stärker, also härter wird, seine Neigung zur Kaltverschweißung herabsetzt, mehr Steckzyklen ermöglicht und gleichzeitig seine Leitfähigkeit nicht einbüßt. An diesem Thema wird bereits seit geraumer Zeit geforscht und wir sind intensiv auf der Suche nach diesem idealen Partner, wie Markus Klingenberg betont. Dazu gibt es bereits einige Ideen: Unter Umständen ist Silber-Antimon geeignet, oder auch Silber-Palladium. Wir als Unternehmen haben natürlich noch eine wichtige, zusätz­liche Anforderung an das Partnermaterial für Silber: Es muss galvanotechnisch abscheidbar sein, erklärt der IMO-Fachmann. Denn die beste Legierung nütze nichts, wenn eine industrielle Fertigung unmöglich sei.

Der perfekte Legierungspartner für Silber muss damit folgende Anforderungen erfüllen:

• Der Legierungspartner muss galvanotechnisch gut abscheidbar sein
• Der Legierungspartner erhält viel von der Leitfähigkeit des Silbers
• Der Legierungspartner ermöglicht mehr Steckzyklen als bisher
• Der Legierungspartner ist gut zu beschaffen im Hinblick auf Menge und Kosten

Kommt Palladium als idealer Partner in Frage? Palladium ist unter anderem aus der Schmuckindustrie bekannt. Tests mit ihm als Legierungspartner haben gute ­Ergebnisse geliefert. Die Verbindung ist galvanotechnisch abscheidbar und ermöglicht eine große Zahl an Steckzyklen. Aber: Palladium ist verhältnismäßig teuer, da es einerseits relativ selten ist und nur in kleinen Gebieten der Erde abgebaut wird. Ein großer Lieferant für Palladium ist zum Beispiel Russland. Andererseits ist Palladium sehr beliebt. Aufgrund seiner chemischen Eigenschaften ist es, gemeinsam mit Platin, ein wichtiger Bestandteil in modernen Abgaskatalysatoren der Kraftfahrzeugindustrie. Hiermit werden giftige Stickoxide und Kohlenstoffmonoxid aus dem Verbrennungsvorgang zu weniger schädlichem Stickstoff und Kohlenstoffdioxid umgewandelt. Zwar werden in jedem einzelnen Katalysator nur wenige Gramm des Edelmetalls eingesetzt, in der Summe macht dieser Verbrauch die Kraftfahrzeugindustrie jedoch zum entscheidenden Käufer auf dem Palladiummarkt. Und eine gestiegene Nachfrage bei knappem Angebot treibt bekanntlich die Preise in die Höhe. Im Endeffekt ergibt sich, wenn überhaupt, nur ein geringer Kostenvorteil der Silber-Palladium-Legierung im Vergleich zu der Verwendung von Gold. Abhängig ist dies natürlich immer von den aktuellen Rohstoffpreisen.

Kann Antimon die Eigenschaften des Silbers optimieren? Das sogenannte Hartsilber ist eine Silber-Antimon-Legierung, die bereits seit vielen Jahren am Markt ist. Der bekannte Nachteil ist, dass die Elektrolytsysteme eine sehr geringe Abscheidungsgeschwindigkeit aufweisen aufgrund der zulässigen, geringen Abscheidestromdichten. Eine Verarbeitung in der Bandgalvanik war daher bislang nicht möglich. Das könnte sich jedoch bald ändern. Es muss sich noch zeigen, wie produktiv unser Ansatz ist, verrät Markus Klingenberg und gibt einen kleinen Hinweis darauf, woran im IMO-Steckverbinderlabor unter anderem gearbeitet wird. Und auch den nächsten, möglichen Legierungspartner hat er bereits im Blick: Wolfram. Die Idee ist, Silber und minimale Mengen Wolfram gemeinsam abzuscheiden, so Klingenberg.

IMO Partner für die Industrie

Um bewährte Techniken zu optimieren, neue Ideen aufzugreifen und aktuellen Trends nachzugehen, forscht und entwickelt IMO laufend. Gemeinsam mit Bestandskunden und Neukunden ermöglichen wir passende Lösungen für spezifischen Anwendungen. Daher sind wir auch immer auf der Suche nach interessierten Partnern aus der Industrie, um beispielsweise am Thema Silberlegierungen zu arbeiten oder Passivierungen weiterzuentwickeln. So sei etwa auf Kongressen bereits der Ansatz diskutiert worden, Passivierung durch den Einsatz von Schmierstoffen voranzubringen. Wir halten Augen und Ohren stets offen, sagt Markus Klingenberg.

IMO Beratungskompetenz
Grundwerkstoff, Beschichtungsverfahren oder Überzugseigenschaften sind nur einige der vielen Faktoren, die ein beschichtetes Bauteil beeinflussen. Häufig sind es die galvanotechnischen Verfahren, die bei ungünstiger Konstruktion ein Bauteil erheblich verteuern können. Eine wichtige Voraussetzung für ein perfekt beschichtetes und ökonomisch attraktives Bauteil ist daher die frühzeitige Einbeziehung von Galvanofachleuten in den Entwicklungsprozess eines Stanzteils. Bereits in der Planungs- und Konstruktionsphase sollte ein Dialog zwischen Stanzer, Galvanik und Kunststofftechnik stattfinden, um ein technisch und wirtschaftlich erfolgreiches Produkt zu generieren. Darauf ist IMO seit Jahren spezialisiert. Die Kunden werden über mögliche Bearbeitungsverfahren informiert, es werden die Vor- und Nachteile der einzelnen Technologien aufgezeigt, auf eventuell eintretende Risiken hingewiesen und offen über Kosten gesprochen. Auf dieser Basis werden technisch optimierte, kostengünstige Beschichtungslösungen mit genau definierten Funktionseigenschaften erarbeitet. Spezialisten aus den Bereichen Forschung und Entwicklung, Produktion und Qualität stehen hier den technischen Vertriebsmitarbeitern zur Seite. Das Ergebnis: Ein perfekt abgestimmtes Produkt aus Stanz-, Oberflächen- und Kunststofftechnik.
Durch die hauseigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung hat das Unternehmen die Möglichkeit, für seine Kunden individuelle Bemusterungen zu fertigen. Anhand dieser kann IMO gut abschätzen, wie es vom Muster zur Serie in der Großmenge gelangt. Die fachlich kompetente und ehrliche Beratung der Kunden ist nach den Worten von Markus Klingenberg nicht nur eine der Stärken der Unternehmens, sie ist auch zwingend notwendig: Nur so können wir bereits am Anfang des Projektes realistisch einschätzen, was in großer Menge umsetzbar ist und welche Kosten für den Kunden entstehen.

Die Erfahrung zeigt, dass dieser Service leider nicht immer in Anspruch genommen wird. Häufig sind die mechanischen Belange vom Rohmaterial bis hin zum fertigen Bauteil bereits festgelegt und die Galvanik hat im Allgemeinen keinerlei Einfluss mehr auf die Gestaltung des zu beschichtenden Teils. Gerade diese sollte aber rechtzeitig in die Planung miteinbezogen werden, da es oft Kleinigkeiten sind, die zu erheblichen Kostenreduzierungen und stabileren Prozessen führen können. Denn durch den Einsatz von Edelmetallen sind die Galvanikkosten nicht selten höher verglichen mit den reinen Stanzkosten. Dementsprechend höher ist hier aber auch das Einsparpotenzial!

Lesen Sie den Artikel auch auf www.wotech-technical-media.de oder in der Oktober-Ausgabe der Zeitschrift WOMAG.

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